... Selbstliebe

3: Was bedeutet Selbstliebe für dich?

 

Heißt es, dir ab und an ein heißes Bad mit einer bunten Badekugel zu gönnen? Regelmäßige Gesichtsmasken? Massagen? Dir schöne Kleider zu gönnen?

 

Meine eigene Sichtweise auf dieses Thema hat sich in den letzten zwei Jahren um etwa 180° gedreht. Oder sagen wir: Ich habe in dieser Zeit überhaupt Selbstliebe gelernt. Ich bin seitdem mit mir selbst ziemlich im Reinen. Das heißt nicht, dass ich alles an mir liebe, jedes äußerliche oder charakterliche Merkmal. Aber ich akzeptiere es als einen Teil von mir.
Wenn ich mich in meiner Bekannt- und Verwandtschaft umschaue, habe ich oft das Gefühl, die Menschen hätten ein sehr toxisches Bild von Selbstliebe.

 

Aus diesem Grund würde ich gerne ein paar Gedanken mit euch teilen, die mir geholfen haben, mich selbst so zu akzeptieren, wie ich bin:

 

Erst einmal (und gerade in unserer jetzigen Situation) muss man nicht produktiv sein, um gut zu sein. In einer kapitalistischen Welt geht es stetig um den Profit, und somit um die Produktivität eines jeden. Bei dem ganzen Lernen, Arbeiten, sich ständig selbst übertreffen vergessen wir uns selbst aber viel zu oft.


Dazu ein Zitat aus dem Lied „Low Life“ von Dame:
„Viel zu oft ist alles hektisch um uns rum/ Wir sehen oft nicht auf uns selbst und all der Stress ist nicht gesund/ Gesundheit ist nicht alles, doch ohne Gesundheit ist alles nichts/ Die schönsten Dinge sind nicht materiell/ Aber es läuft wie es läuft, denn wir sind traditionell/ Ja, wir ackern uns zu Tode, Hauptsache, alles geht schnell“
https://www.youtube.com/watch?v=RwxZDl6P4E0

 

Ich denke diese Zeilen fassen das Problem ganz gut zusammen. Dazu gehört auch, zu lernen, nein zu sagen. Nicht nur, wenn der Chef einen fragt, Überstunden zu machen, sondern auch, wenn der/die Partner*in will, dass man mal wieder aufräumt oder die Kinder spielen wollen. Denn es ist in Ordnung auch einmal Zeit für sich selbst zu haben. Um nichts zu tun. Warum sollten wir uns nicht, so wie wir uns mit Freunden verabreden, auch mal mit uns selbst verabreden? Alleine spazieren gehen, es sich in der Badewanne gemütlich machen oder ein Buch zu lesen. Und nicht sofort rennen, wenn andere etwas wollen. Es ist in Ordnung zu sagen „Nein, ich mache jetzt eine Zeit lang gar nichts.“

 

Etwas woran jeder beim Thema Selbstliebe denkt, ist natürlich auch der eigene Körper. Die Art und Weise, wie die Gesellschaft damit umgeht ist meiner Meinung nach mehr als toxisch. Im Internet, auf Plakaten, an Bahnhöfen werden wir stetig mit dem vermeintlich perfekten Körper konfrontiert. So wurde uns leider schon von klein auf nicht nur durch Werbungen, sondern auch durch die sozialen Medien vermittelt, dass abgemagerte Frauen und muskulöse Männer attraktiv sind. Dass man als Frau lange Haare und große Brüste haben sollte und als Mann einen gepflegten Bart und ein Sixpack.


Ein ganz schön einseitiges Bild von Schönheit wurde und wird uns da leider vermittelt. Klar, sind die Menschen in den Werbungen schön. Aber es sind eben nicht die einzigen schönen Menschen auf dieser Welt. Jeder ist schön. Du bist schön!
Warum wird uns nie unreine Haut, Zellulite oder einfach mal ein normaler Bauch mit ein paar Fettröllchen gezeigt?
Denn diese äußerlichen Merkmale entsprechen zwar leider nicht dem Schönheitsstandard, sind aber genau deshalb mindestens genau so perfekt. Und realistisch.


Zu lernen, dass der Schönheitsstandard kompletter Mist ist, war für mich persönlich ein langer Weg. Angefangen habe ich aber auf jeden Fall damit, auf den sozialen Medien den sogenannten Influencern zu entfolgen, die ihre Bilder gefühlt stundenlang auf Photoshop bearbeiten oder sich eine Tonne Make-Up ins Gesicht kleben, damit man keine einzige Pore mehr sieht. Und ich bin neuen Menschen gefolgt. Jana (
www.instagram.com/janaklar/) zum Beispiel oder Saskia (www.instagram.com/whereiscoffee_/) vermitteln ein natürliches Bild von Schönheit. Sie zeigen nicht nur ihre Schokoladenseiten und teilen auch mal schlechte Momente in ihrem Leben.

 

Das ist nämlich der dritte Punkt auf meiner heutigen Liste: Man muss nicht immer glücklich sein. Es ist in Ordnung traurig zu sein, oder ängstlich, besorgt, verletzt und wütend.
Das alles sind ganz natürliche Emotionen, die ein jeder erlebt und das ist auch gesund und normal! Wir sind immerhin keine Roboter. Unsere Gefühle sind ein Teil von uns, wir sollten uns aber nicht von ihnen definieren lassen. Statt Fröhlichkeit den anderen vorzuspielen, sollten wir lieber daran arbeiten, wirklich froh zu werden.
Es macht ja Sinn, dass man nicht viele negative Emotionen in den Medien sieht. Niemand will schließlich traurig oder wütend sein. Es ist die Glücklichkeit, die von jedem ein Leben lang angestrebt wird.
Seine Gefühle zu unterdrücken macht einen aber leider nicht glücklicher. Im Gegenteil, manchmal muss einfach mal alles raus, damit man sich danach wieder mit positiven Emotionen auffüllen kann. Und solange man sich seinen Mitmenschen gegenüber respektvoll verhält, darf das sowohl in Tränen als auch in Gemotze oder Geschrei passieren.
Jeder erfährt Emotionen. Manchmal stärker, manchmal schwächer.
Man muss seine Gefühle natürlich nicht öffentlich zeigen, wie Jana und Saskia das machen, aber sie unterdrücken bringt leider gar nichts. Lieber mit einer, einem guten Freund*in skypen und über alles reden! Denn das Leben ist eine Achterbahnfahrt, es besteht nun mal nicht nur aus Höhen.

 

Schlussendlich lebt niemand ein perfektes Leben. Menschen streiten sich, Menschen weinen. Menschen leben nicht nur in Harmonie und sind manchmal einfach nur traurig. Und Menschen sehen nicht immer perfekt aus. Sie sehen echt aus. Mit Doppelkinn, Fettröllchen, Pickeln und noch viel mehr Dingen über die niemand reden will. Und trotzdem sollten die Menschen sich lieben. Denn der Körper und die Seele, die wir nun einmal besitzen, lässt uns das Leben erfahren und das ist unendlich viel wert. Wir können die Sonne auf unserer Haut spüren, die Vögel zwitschern hören und wunderbares Essen schmecken. Deshalb sollten wir uns, anstatt uns auf all unsere negativen Stellen zu fokussieren, anfangen, jedes einzelne Stück von uns selbst wertzuschätzen. Wir müssen nicht alles lieben. Aber wir sollten versuchen, uns so zu akzeptieren, wie wir sind.
Und ich glaube, diese Welt könnte eine bessere sein, wenn jeder sich selbst und seine Mitmenschen so akzeptiert wie sie sind, denn wir sind alle wortwörtlich wundervoll!

 

von Judith Maier